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Ortsgeschichte von Untertürkheim von der Gründung des Ortes bis heute
Von Johannes Lechler
3) 1700-1800

Ortsgeschichte von Untertürkheim von der Gründung des Ortes bis heute (1935)

[pag146] Die drei ersten Jahre des 18. Jahrhunderts brachten den Untertürkheimern doch wieder einen reichen Herbst, und am 4. November 1701 hatte Pfarrer Zeller auf "expressen, hochfürstlichen, gnädigsten Befehl" eine solenne Dankpredigt zu halten. Aber schon im Jahr 1702 begannen neue Kriegsunruhen, und der Herzog ließ landauf, landab Werbetrommeln schlagen. Am 3. November 1703 starb Pfarrer Zeller, der zuletzt sehr schwach gewesen war. Sein Nachfolger, Magister Karl Bardili, gab sich alle Mühe, in der Gemeinde und in der Schule Ordnung zu stiften, und fand dabei Unterstützung von Bürgermeister, Gerichtsherren und Richtern, die "in christlicher Einträchtigkeit die Gemeindedisziplin zu verbessern suchten, denn die Jugend war sehr frech und keck". 1705 hatte der Amtmann, 1704 der Pfarrer einen frühen Tod gefunden. Im Jahr 1705 bekam der Ort einen neuen Pfarrer, Magister Johann Ulrich Pregizer, und einen neuen Amtmann, Johann Jakob Majer, die beide eine Reihe von Jähren den Dienst an der Gemeinde treulich verwalteten. Do Gemeinde zählte damals 763 Seelen: 151 Bürger, 23 Witwen, 4 Beisassen. (10 Jahre später waren schon 990 Seelen; 178 Bürger, 28 Witwen und 12 Beisassen.) Gerichtsschreiber war Marx Schönhaar, "ein geschickter und fleißiger Mann". Die Kriegsnöte nahmen kein Ende. Im Winter 1703/04 war man von den einquartierten Reichstruppen geplagt, und die Klage über diese "Schutzengel" war allgemein. Im Frühjahr 1704 stand Herzog Eberhard Ludwig selbst mit 4000 Mann Haustruppen bei Untertürkheim, ese er abmarschierte, um dann bei den siegreichen Kämpfen, namentlich bei Höchstädt am 13. August 1704, sich großen Waffenruhm zu erwerben. Aber sein Land hatte den Durchmarsch der 60000 Mann starken verbündeten Armee auszuhalten und im September noch einmal Marschquartiere zu leisten. Im Oktober 1704 beschloß das Zensurgericht, den [pag147] wohlempfohlenen Provisor Josias Schindler nach Zustimmung des Spezial (Dekan) zu zitieren und "nach Befinden zu einem Provisor zue der Schuel anzunehmen". Er wurde dem alten Schulmeister Johann Jakob Efferhen adjungiert, der zwar "recht gute Qualitäten" hatte, aber in "Information etwas träge" wurde. Der Junge hat sich dann "im Informieren wohl erwiesen und die ungezogene Jugend in eine Ordnung gebracht". 

1708 ist er an Efferhens Stelle getreten, dam nach vierunddreißigjährigem Dienst im August 1708 vom Gericht und Rat der Abschied verwilligt wurde. Schindler hat auch eine Reihe von Jahren der Gemeinde gedient. Das Jahr 1706 hat sehr viel und guten Wein gebracht. In diesem Jahr ist Hans Leonhard Huxbenbauer, nachdem er bei den Franzosen "seinen elterlichen Abschied" erhalten hatte, in die Heimat zurückgekehrt. Obgleich die Franzosen in den Niederlanden geschlagen worden waren, setzte doch Marschall Villars im Mai 1707 über den Rhein, und die Reichstruppen waren wieder nicht imstande, unser Land vor den räuberischen Horden zu schützen. Die Preußen aber blieben ruhig am Niederrhein stehen. die treue Landesmutter, Herzogin Magdalene Sibylle, schloß nun einen Vertrag mit den Franzosen, daß sie gegen Zahlung von einer Million Gulden das Land mit Raub und Brand verschonen sollten. Das hinderte aber die Vertragsbrüchigen nicht, mit 1500 Reitern durch den Ort zu ziehen, um das Oberland auszurauben. Nachher schlugen sie im Neckartal ein Langer auf und plünderten von da aus die Filderorte. Nachdem die Hauptmacht Schorndorf eingenommen hatte, leerte Villars vor seinem Abzug noch die Cannstatter Magazine und verwüstete die ganze Gegend aufs greulichste, so daß es wieder eine allgemeine Flucht nach Eßlingen gab. Am 24. Juni 1707 hat die Räuberbande den Flecken gründlich ausgeplündert. Obgleich die Herzoginmutter den Abzug der Franzosen mit über einer Million Gulden erkauft hatte, mußte doch der Herzog noch 1712 die letzten in einem siegreichen Gefecht bei Hornberg aus dem Land jagen. Der 1714 in Rastatt geschlossene Friede aber brachte dem Land keine Entschädigung, und doch wurde der Kriegsschaden auf 16 Millionen Gulden angeschlagen. 

Eberhard Ludwig hatte sich 1697 mit Johanna Elisabetha von Baden verheiratet und zu ihrer Heimführung eine glänzende Leibgarde zu Pferd errichtet. Zehn Jahre später aber ließ er sich von einem hergelaufenen Fräulein von Grävenitz so umgarnen, daß er seiner Gemahlin die Scheidung aufzudrängen suchte und sich außer Lands mit der Hexe trauen ließ. Der Hofkaplan weigerte sich, dem Ehebrecher das Abendmahl zu reichen. Der Herzog setzte ihn als Hochverräter gefangen, aber trotz dem Widerstand des Prälaten Osiander und des Konsistoriums ließ er nicht von dem Weibe, sondern ließ sie zum Schein einen Graf Würgen heiraten, und nun hielt sie als Gräfin Würben und Landhofmeisterin [pag148] stolz und frech ihren Einzug in Stuttgart. Der Herzog aber baute ihr in seiner neugegründeten zweiten Residenzstadt Ludwigsburg ein prachtvolles Schloß. Im August 1712 ist die Mutter des Herzogs, Magdalene Sibylle, heimgegangen. Sie war eine edle, fromme Frau, die sich in den schwersten Zeiten als eine rechte "Mutter in Israel, Fürbetterin und Säule des Landes" bewiesen hat; und nun, nachdem sie in so vielen schweren Kriegsstürmen ihrem Volk nach all ihrem Vermögen geholfen hatte, mußte sie das Treiben ihres Sohnes mit ansehen, ohne helfen zu können. Die Landhofmeisterin hatte die Frechheit zu verlangen, daß sie ins Kirchengebet aufgenommen werde: der Hofkaplan Öchslin erwiderte, das geschehe bereits in der Bitte: Erlöse uns von dem Übel. Erst im Jahr 1731 wurde das Land von dem Scheusal erlöst. 

Im Juni 1716 wurde der Ort in Schrecken gesetzt dadurch, daß über Mittag auf einmal das Haus, das dem Jakob Ganschopf?und Marx Müller wohnten, zusammenstürzte. Der kranke Marx Müller und Frau Ganschopf mit zwei Kindern waren zu Hause. Als die Leute vom Felde herbeieilten und Ruhe geboten worden war, hörte man Ächzen und Gilfen unter den Ruinen, und als man mit großer Vorsicht Schutt und Gebälk abgeräumt hatte, stelle es sich heraus, daß der sechzigjährige Marx Müller 2 Stock hoch in den 20 Staffeln tiefen Keller hinuntergefallen und fast unbeschädigt stehen geblieben war, während neben ihm ein erschlagenes Kalb lag. Frau Ganschopf aber die eben ihre Kinder ins Bett gelegt hatte, fand man ohnmächtig zwischen ihren Kindern. Das ältere war ein wenig gequetscht, das jüngere lag ganz unversehrt in dem zum großen Teil zerschmetterten Wiege. Konnte man hier Gott für wunderbare Hilfe aus größter Not und Gefahr danken, so war in der ganzen Gemeinde die Not sehr groß. Zu den Kriegsschäden kamen im Jahr 1713 und 1714 zwei Fehljahre, und doch sollten die furchtbar schweren Steuern gezahlt werden, damit der Herzog seiner Kebse Schlösser bauen und ungezählte Summen an sie verschwenden konnte, während seine Untertanen im Elend verkamen. In den Jahren 1713 und 1714 sind von 22 Toten je 6 an mangelnder Ernährung gestorben und in einem Jahr haben die Pocken 110 Kinder weggerafft, denn je elender die Leute sind, desto empfänglicher sind sie für ansteckende Krankheiten. Im Jahr 1717 sind dann auch noch Untertürkheim wie Obertürkheim und Wangen durch ein großes Hochwasser in fast gänzlichen "Tataleinum" gekommen. Zahlreiche Baum- und Grasfelder sind weggerissen und zum Teil in Seen und Kiesfelder verwandelt worden. 1719 verfaßte der Gerichtsschreiber Marx Schönhaar eine Klageschrift, nachdem im Winter wieder ein Brocken vom Ufer weggerissen worden war, daß man doch diesen Schaden für die Zukunft beheben möchte. "Aber auch unterhalb der Brücke, bei dem so schön gewesenen Wasen, der für die Viehhaltung Untertürkheims eine höchst nötige Weide sei, habe ein Hochwasser fast die Hälfte weggenommen und in Kies und Wasser verwandelt. So sein dem armen Vieh seine suchende Nahrung ohnverantwortlich entzogen worden. Trotzdem habe man dem Kugler von Fellbach gestattet, ein auf 500 Stück anwachsende Herde auf hiesigem Zehnten allein weiden zu lassen. Die Schafe haben die Wurzeln aus dem Boden gezogen und unseren selbst habenden Schafen das Gras von dem Maul hinweggefräßt." In demselben Jahr ist mitten im Herbst ein Haus abgebrannt. Im vorderen wohnte Jung Jakob Käser, im hinteren Elias Schönhaar. Die Frau hatte ihre Kinder mit dem Licht in die Kammer geschickt, die voll Stroh war. Sie wurde mit den zwei jüngeren Kindern gerettet, starb aber an den Branswunden, die beiden älteren Kinder sind jämmerlich verbrannt. 

In all diese Not und Jammer hinein ist 1717 doch auch wieder ein Fest gefeiert worden zum Gedächtnis der Reformation. "Ein großer Tag, ein Tag voll Freud und voller Wonne, den wir Gott Lob! erlebt; da scheint die Gnadensonne uns hell und klar, da man heut billig jubilieret, weil durch Lutheri Dienst dei Kirch so schön gezieret." Das Opfer des Festes war für die Armen bestimmt, damit sie sich recht von Herzen mitfreuen können. Durch hochfürstliches Ausschreiben vom 11, Dezember 1722 wurde die "wahre evangelische und solenne" Konfirmation mit den jungen Leuten, welche zum Abendmahl gehen wollen, angeordnet; und am Sonntag Quasimodogeniti 1723 ist die erste Konfirmation mit 7 Knaben und 10 Mädchen im Alter von 13 bis 17 Jahren unter großer Andacht, Impression und viel Tränen gefeiert worden. Die Konfirmierten konnten dann, wenn sie wollten, an einer der nächsten Abendmahlsfeiern teilnehmen. Die Vorbereitung auf das Abendmahl wurde mit jedem einzelnen im Pfarrhaus vorgenommen. Die Reihenfolge der Konfirmanden war nicht nach dem Alter sondern die Honorationenkinder kamen zuerst. Merkwürdig ist, daß von den Knaben alle außer einem als ersten Nahmen Johann, von den Mädchen alle bis auf eine als erste Maria haben. 

Im Juni 1726 wurde das Neckartal von einem fürchterlichen Unwetter heimgesucht. Der Hagel verwüstete Felder und Weinberg, und die Bäche schwollen dergestalt an, daß ein junger [pag149] Mensch, der mit seinem Pferd in Hedelfingen über dei Dürrenbachbrücke hinabstürzte, von dem angelaufenen Bach fortgerissen und zwei Stunden nach her auf hiesiger Markung tot gefunden wurde. Das Jahr 1724 hatte einen reichgesegneten Herbst gebracht, und der Hagelschaden des Jahres 1726 wurde durch die zwei darauffolgenden Jahre mit ihrem guten Herbst ersetzt. Ein Schaden auf andere Art war es, daß trotz dem Kasernenbau in Stuttgart immer noch viel Militär in Bürgerquartieren lag. 1732/33 sind hier in Quartier gelegen: Prinz Alexandrinische Rekruten und "mitgetander Verpflegung auch zugleich angeschafftem Logis" 9 Monate lang Major Kiesers Kompanie des fürstlichen Gardefüsilierregiments. Damit hing dann die Beschwerde im Bericht des Dekans zusammen über das der ersten Tafel des Gesetzes widersprechende Exerzieren der jungen und ledigen Bursch am Sonntag vor dem Gottesdienst, dadurch alle gute Ordnung über den Haufen geworfen, aller Unordnung aber Tür und Tor aufgetan werde. Wie groß die Sterblichkeit damals gewesen ist, mag daraus ersehen werden, daß in unserer nicht mehr 900 Seelen zählenden Gemeinde in 2 Jahren, 1728 und 1729, mehr als 100 Gemeindeglieder, darunter 41 kleine Kinder, gestorben sind, 12 an Pocken, dem Würgengel unter den Kindern vergangenerer Zeiten. Ein Beweis, wie groß die Not und Armut im Ort damals war, ist das, daß an einer bösartigen epidemischen Krankheit 27 Alte und Junge und in einem Jahr nicht weniger als 10 an Lungenleiden gestorben sind. 17. Dezember 1728 ist auch Johann Georg Hettich, der es nach seiner abenteuerlichen Desertion aus dem französischen Heer noch zum Gerichtsverwandten gebracht hat, mit 62 Jahren einem Herzleiden erlegen. Hubenbauer ist schon 1717 gestorben, und Höschlin, der von den ungeheuren Strapazen seiner Flucht "auf der Brust eine Letze" davongetragen hatte, 1724. Im Jahr 1730 ist auf Pfarrer Pregizer gestorben, erst 57 Jahre alt, der 25 Jahre lang der Gemeinde aufs treuste gedient hat. Der Spezial sagte von ihm: "Ist in seinem Amt seht fleißig, sonderlich wegen seiner sorglichen Krankenbesuche beliebt." Das Domkapitel zu Konstanz hat dann den erst 25 Jahre alten Sohn des Verstorbenen, Philipp Ulrich, der schon 1726 über die Osterfeiertage "Vikarsgeschäfte prästiert" hatte, zum Pfarrer nominiert. Er wurde aber so leidend, daß er einen Vikar halten mußte, der seinen zwei Jahre jüngeren Pfarrer im Monat Mai zu Grabe geleiten mußte. Die Leichenpredigt hielt Magister Jakob Bernhard Ehrhard, der dann sein Nachfolger wurde. Dem neuen Pfarrer war es ein großes Anliegen, die neue Schulordnung von 1729 in Gang zu bringen. Nach derselben sollte in jeder Schule wenigstens eine Bibel sein und der Schulmeister daraus vorlesen. Der Schulbesuch lag fortwährend sehr im argen. Es gab Eltern, die ihre Kinder erst mit 9 Jahren in die Schule schickten, auch Jahr und Tag wegbehielten, um das Schulgeld zu sparen. Sie sollten nun um den Betrag des Schulgeldes in den Armenkasten gestraft werden. Kein Kind sollte ohne Vorwissen des Pfarrers die Schule verlassen oder die Sommerschule versäumen. 1730 waren es sommers 90, winters 115 Schüler. Später wurde dem Kirchenzensurgericht die regelmäßige Abrügung der Schulversäumnisse zur Pflicht gemacht. einstweilen aber mußte Jonas Schindler es hilflos mit ansehen, daß die Schüler kamen oder wegblieben, wie es den Eltern beliebte. Bei dem allen muß freilich die klägliche Armut der Bevölkerung berücksichtigt werden. Das machte auch den Kampf gegen das Bettelwesen so aussichts- und rücksichtslos. Man ging ja mit den Bettlern schrecklich um. Eine Witwe wurde, obgleich "in Zügen liegend", von Cannstatt herauftransportiert und starb vor dem Betelhaus. Ein etwa zwanzigjähriger Mensch wurde Ende Dezember 1730 auf der Bettelfuhr krank hier hergebracht. Weil er aber nicht von hier war, sollte er weitertransportiert werden. Auf dem Weg nach Wangen ging er im Fieber durch, und man fand ihn am Neckar tot an einen Zaun gelehnt. Auch die Ortsarmen waren äußerst knapp gehalten. Und wenn eine Witwe mit ihrem kranken Sohn wöchentlich 20 Kreuzer bekam, konnte man es ihr nicht verwehren, daß sie wöchentlich "ostiatim", von Türe zu Türe, von guten Leuten Gaben erbat. Aber der Heilige vermochte nicht mehr zu leisten. Von dem ausgeliehenen Gelde gingen keine Zinsen ein. Manche ließen die Zinsen höher anschwellen, als das Kapital war. Die Opfer für die Armen waren gering, und das Glöckleinsgeld, dar Ersatz des früheren Klingelbeutels, ging schlecht ein. Einer überhäufte wegen ein paar Kreuzern die Einsammelden mit den greulichsten Flüchen und Schimpfreden, so daß er vor das Kirchenzensurgericht gefordert werden mußte. Die Schwörbüchsen brachten auch nicht viel ein, denn dei Wirte wollten ihre Kunden nicht vertreiben dadurch, daß sie bei einem Fluch die Strafbüchse präsentieren. Außer den Ortsarmen war es ein ganzes Heer von Bettelleuten, das sich auf der Straße herumtrieb. 1732/33 hatte der Bettelleutführer Jakob Müller nicht weniger als 96 Bettelfuhren, die dann dei Armenkasse auch wieder je 6 Kreuzer kosteten. Um dem Unwesen zu steuern, wurde ein Arbeits- und Zuchthaus in Ludwigsburg geplant, für das im ganzen Herzogtum geopfert werden sollte. Die Pfarrer hatten in der Predigt über das Evangelium vom barmherzigen Samariter den Zuhörern die Pflicht einer ergiebigen Beisteuer einzuschärfen. Zwei Männer vom Magistrat mußten von Haus zu Haus die Beiträge in eine Liste einzeichnen. Dabei waren nicht bloß die Bürger, sondern auch die Gemeinde bettelarm, und doch war sie verantwortlich für das vollständige Eingehen von Steuern. In der Gemeinderechnung 1732/33 heißt es: "Damit die hiesig vorhin verarmte Bürgerschaft wegen ausständig gewesener Steuern bereits angedroht wordene militärische Exekution wieder abgewendet werden möchte, so haben wir mit Oberamts- und herrschaftlicher Bewilligung bei dem Gerichtsadvokaten Wolff in Tübingen 600 fl. Kapital aufgenommen und zu Bezahlung der Steuer angewendet. Da aber die Bezahlung der Steuer bei in- und ausgesessenen Kontribuenten sehr langsam hervorgegangen, gleichwohl aber die darauf gegebenen pressanten Anweisungen dennoch ohnangesehen aller vorgestellten Impossibilität (Unmöglichkeit) völlig bezahlt werden müssen, so mußte, da bei den meisten Schuldnern die pure Ohnmöglichkeit und große Armut vorgewaltet, abermals Oberamts- und Gerichtlich erlaubt und resolviert zu Abwendung der die die Bürgerschaft zu besseren Kräften kommen werde, auf Restitution entlehnt werden", und zwar bei Rentkammer Expeditionsrat Ph. J. Vischer 300 Gulden, bei Amtmann und Keller Mayer hier 1250 Gulden. Im folgenden Jahr ist dann wegen des ausstehenden, in Gold zur fürstlichen Kastkellerei zu zahlenden Betweins ein Beamter mit 28 Kreuzer Taglohn "auf der Exekution allhier gelegen". Der Vogt aber mußte wegen der allhiesigen morösen Steuerschuldner zur Exekution und übrigen Einrichtung hierher und hat "inmittelst verohnköstigt" 3 Gulden 3 Kreuzer. Weil aber der Einzug ferner schlecht vonstatten ging, mußte er nochmals mit dem Amtspfleger hieher und der wirklichen Exekution beiwohnen. Taggeld: 5 Gulden 25 und 3 Gulden 12 Kreuzer. Kein Wunder betrug der "Ordinari und Extraordinari Steuern und Anlagen Ußstand" 11525 Gulden. Und bei dieser jämmerlichen Armut der Gemeinden und der Bürger hat der Herzog ungezählte Tausende für die Grävenitz verschleudert. Dezember 1732 wurde das Land endlich durch einen für die Mätresse viel zu günstigen Vertrag von diesem Übel erlöst. Unter starker Bedeckung, um sie vor der Wut der Bevölkerung zu schützen, wurde sie von Urach, wo sie in Gewahrsam gewesen war, nach Heidelberg gebracht. 1731 hatte sich Herzog Eberhard Ludwig mit seiner Gemahlin, der edlen Dulderin, ausgesöhnt. In demselben Jahr ist ihm sein einziger Sohn gestorben, und als er ihm am 31. Oktober 1733 im Tode nachfolgte, bekam das evangelische Württemberg als Herrn einen Kriegsmann, der als österreichischer General katholisch geworden war. 

Karl Alexander trat seine Regierung mit den schönsten Versprechungen an, und als die Franzosen wieder über den Rhein kamen, schützte er das Land vor ihrem Einbruch. Als Verbündeter des Kaisers ließ es eine Werbung vornehmen, und als diese noch nicht genügte, eine Auswahl, bei der er nicht bloß wie bisher Aushauser und überlästige Personen, sondern tüchtige junge Leute, die daheim arg fehlten, aushob; auch werden den Untertanen die besten Pferde weggenommen. Er wollte ein stehendes Heer haben und nötigte die Landstände, ihm 10000 Fußgänger 2000 Reiter und 1000 Husaren zu bewilligen, trotz der großen Schuldenlast, die auf dem Lande lag. Karl Alexander gehörte zu den Despoten, seiner Meinung nach zu den menschenfreundlichen. Sein Ratgeber bestärkten ihn in seinen Ansichten und in seiner Verblendung, als ob er ein Wohltäter seines Volkes wäre. Der Jude Süß Oppenheimer, den er zum Geheimen Finanzrat machte, erklärte: "Der Herzog ist Herr, und alles, was die Untertanen haben, gehört de, Herrn." Und der katholische General Remchingen, der in Militärsachen sein erster [pag151] Ratgeber war, rief aus: "Die Canaillen, die Beamten, haben keinen Respekt vor den Offiziers, da doch Serenissimus mehr Consideration vor einem Stabsoffizier als vor zehn Federfuchsern hat." Weil der Herzog sich für den Wohltäter des Landes hielt, war er voll Widerwillen gegen die widerspenstigen Landstände. Wenn sie kein Geld verwilligten, und er brauchte viel Geld, so schaffte es ihm der Jude. Zuerst durch Münzverschlechterung, das schlug freilich wie im Dreißigjährigen Krieg zum Schaden des ganzen Landes aus, dann mit allerlei Monopolen und indirekten Steuern. Die Generallandeskommission, die das Land von Grävenitzschen Günstlingen säubern sollte, wurde benützt, um ganz Unschuldige durch Drohung zu schröpfen. Ein Tutelarrat bekam die 'Mündelgelder in seine Hand und besteuerte Testamente und Inventuren. Charakteristisch für den Ton der "Untertanen" ist die Bittschrift um dessen Abschaffung: "Die Bevollmächtigten des Größeren Ausschusses befinden sich nach tragenden schweren herrschaftlichen und Landespflichten höchst benötigt, euer Hochfürstlichen Durchlaucht in tiefst niedrigstem Respekt geziemend vorzustellen, wie sie dieses Vorhaben als eines beschwerlichen und schädlichen Gravaminum ansehen. Wannenhero sie ganz gehorsam und flehentlich bitten, Höchstdieselben möchten gnädigst geruhen, nach Hocherleuchtenden der Sachen Einsicht dieselbe wieder aufzuheben und die, welche dero christfürstlich Gemüt zu dergleichen schädlichen Abänderungen bewegt, mit nachdrücklicher Ahndung zu belegen." Genützt hat die Bittschrift natürlich nichts. Dagegen bot die Errichtung eines Gratial- und Fiskalamtes dem Juden Gelegenheit, den vom Herzog verabscheuten Ämterhandel aufs Schwunghafteste zu betreiben und das Recht um Gold feil zu machen. Titel und Ämter wurden um schwer Geld verkauft. Für eine Amtmann musste zahlte man 400, für eine Leutnantstelle 750 Gulden, höhere natürlich mehr. Auch einen lukrativen Handel mit Juwelen trieb der gewiegte Finanzrat. Dem Rat Heyland, dessen Haus in der Langen Gasse steht, bat er für mehrere tausend Gulden Juwelen aufgenötigt. Nach dessen Tod verlangte er sie zu sehen und gab sie nicht mehr zurück. Als der Herzog endlich von den Betrügereien des Juden unterrichtet wurde, war er sehr entrüstet. Aber der Jude verstand es, ihn umzustimmen, und erlangte Februar 1737 ein Absolutorinm vom Herzog, demzufolge er nicht zur Verantwortung gezogen werden durfte. Denn der Herzog brauchte eben Geld, und niemand verstand es ihm zu schaffen wie der Finanzrat Süß. 

Obgleich der Herzog versprochen hatte, sich nicht in die kirchlichen Dinge zu mischen, ließ er doch den Pfarrer Kuhn von Zainingen als einen Pietisten, "der schon 7 Jahre dieser Gleißnerei nachgehängt", auf den Hohenneuffen bringen, seine Frau ins Arbeitshaus in Ludwigsburg und den Schultheißen und zwei Männer, die sich hartnäckig gezeigt, zur Zwangsarbeit nach Neuffeu. Dann aber bedrohte die Gewaltregierung des Herzogs auch den evangelischen Glauben selbst. Im Widerspruch zu den von ihm unterschriebenen Religionsreversalien suchte er der katholischen Religion Gleichberechtigung mit dem lutherischen Glauben zu verschaffen. Sein vertrauter Ratgeber war der Fürstbischof von Würzburg. Remchingen hatte die Offiziers= und Unteroffiziersstellen möglichst mit Katholiken besetzt, und der Herzog hoffte, mit Hilfe des Militärs die Landesverfassung umstürzen und die Religionsreversalien abschaffen zu können. Remchingen fragte in einem Brief an den Fürstbischof "das große Weltorakel", wann es Zeit sei, mit dieser Katze durch den 3Bch zu fahren. Er riet zum Abwarten. Der Herzog plante eine Reise. Im Lande gingen die ungeheuerlichsten Gerüchte: 19 000 Mann Würzburger Truppen stehen an der Grenze, ganze Wagen mit Rosenkränzen seien in Ludwigsburg angekommen. Da wurde am Abend des 12. März 1737 Karl Alexander im Schloß in Ludwigsburg vom Schlag getroffen. Im Flecken war keine geringe Aufregung, als am Morgen des 13. März die Kunde sich verbreitete, daß der Herzog tot und der Jude Süß und zwei Expeditionsräte verhaftet seien. Alle, die um die Sache des Evangeliums in Sorge gewesen waren, sahen in dem Tod des Herzogs ein Gottesgericht, und das Konsistorium mußte sich mißbilligend darüber aussprechen, daß in Predigten allerlei anzügliche Expressionen gebraucht worden seien, und ein strenges Verbot erlassen, bei der Gedächtnisfeier des Durchlauchtigsten dürften irgend etwas Zweideutiges oder Anzügliches verlauten zu lassen. Remchingen wurde auf den Asperg gebracht und der Jude als Sündenbock zum Galgen verurteilt. J. J. Moser schreibt: "Seine Kameraden, sowohl beschnittene als [pag152] ohnbeschnittene, die meistenteils ärgere Schelmen als er sind, laufen als ehrliche Heute frei und ongestraft herum." Da der älteste Sohn des Herzogs erst 9 Jahre alt war, übernahm Herzog Karl Rudolf und 1738 Friedrich Karl die Vormundschaft. Ihm gelang es, einen friedlichen Landtagsabschied zu erreichen. Die Herzoginwitwe wurde Mitvormünderin. Die drei Prinzen, Karl Eugen, Ludwig Eugen und Friedrich Eugen, wurden auf Betreiben des Geheimrats Bilfinger zur Erziehung an den Hof Friedrichs des Großen geschickt. Eine der vielen Beschwerden des Landtags war der Schaden, den die unglaubliche Menge des Wildes dem Lande brachte. Obgleich in dem besonders harten Winter 1731/32 20 000 Stück Schwarz- und Rotwild draufgegangen waren und über 11 000 Hirsche und Rehe und 8000 Sauen 1737 abgeschossen wurden, betrug doch der Wildschaden des folgenden Jahres noch 52 700 Gulden, und das Wild wurde so frech, daß die Weinberge in Stuttgart unsicher wurden. Die Militaristen wurden etwas verringert und die Quartierlast durch Erbauung von Kasernen erleichtert. Aber die Haften, die auf dem armen Volk ruhten, waren immer noch viel zu schwer. Die Zahl der Bettelarmen nahm immer zu. In unserem Ort gab man Blechlein aus als Anweisung zur Unterstützung. Den Magistratspersonen aber wurde es zuviel, sie einzulösen. Und als dann der Pfarrer dieses Geschäft übernahm, wurde das Überlaufen so überschwenglich groß, daß er die Austeilung des Almosengeldes dem Heiligenpfleger Kaspar Hammer übergab gegen eine Erhöhung seiner Besoldung auf jährlich 10 Gulden und das Versprechen, daß er im folgenden Jahr abgelöst werde. Im Jahr 1738 gab es wenig, aber so ausbündig guten Wein, daß für den Eimer 50 Gulden gezahlt wurden. 1739 aber wuchs so viel Wein, daß 12-15 Eimer auf den Margen kamen. Dagegen brachte das Jahr 1740 einen völligen Fehlherbst, so daß die Kelter gar nicht geöffnet wurde. Dazu kam Schaden durch Überschwemmung und durch einen außerordentlich kalten Winter 1739. In diesem Jahr hat die Pockenseuche, die schon Winter 1734/35 als ein Würgengel durch den Ort gegangen war und erwachsene und Kinder hingerafft hatte, furchtbar im Flecken gehaust. März und April sind allein 13 Kinder daran gestorben. Im Jahr 1741 ist der Kelter- und Amtmann Nikolaus David Le Bret, erst 43 Jahre alt, der Gemeinde entrissen worden. Wie freundschaftlich er und seine Frau sich zu den Dorfbewohnern gestellt haben, ist schon daraus zu ersehen, daß die beiden in den letzten Jahren bei 11 hiesigen Bürgern (Warth, Munk, Häberle, Haug, Schwarz, Keefer, Neff, Dobelmann u. a.) neunzehnmal zu Gevatter gestanden sind. Le Brets Nachfolger wurde 1742 Alexander Benedikt Krafft. Im gleichen Jahr ist das letzte Glied der Organistenfamilie Diener, Jakob Diener, erst 35 Jahre alt, gestorben, und die Orgel wurde nun dem Schulmeister anvertraut, der einen Provisor halten sollte, welcher "der Orgel und dem Choral unklagbar vorzustehen" imstande sei. Im Jahr 1743 wurde ein neues Gesangbuch eingeführt, das 393 Lieder enthielt, 33 von Luther, 36 von P. Gerhardt, 30 von württembergischen zum Teil noch lebenden Dichtern. Auf Veranlassung des Konsistorialpräsidenten Bilfinger erließ der hochfürstliche Synodus eine Generale betreffend die Pietisten, die von Karl Alexander als Gleisner und schädliche Menschen geradeswegs verfolgt worden waren, während Joh. Albr. Bengel für die Privatversammlungen eintrat. Sie zu verbieten wäre, wie wenn man den Leuten, die über Feld gehen, gebieten wollte, nicht miteinander, sondern einen Büchsenschuß hintereinander zu gehen. Er verglich die pietistischen Privatversammlungen mit einem Bienenschwarm, der nicht verscheucht, sondern geschickt gefaßt werden müsse. Der Synodus hat den Schwärm gefaßt und Pfarrern und gottesfürchtigen Schulmeistern gestattet, Versammlungen zu halten, auch Privatpersonen soll es gestattet sein, nur muß es dem Pfarrer angezeigt werden, und Fremde dürfen nur in Anwesenheit des Pfarrers Vorträge halten. Sonst sollen sie die Bibel und gute Bücher lesen und kurze Bemerkungen dazu machen, aber nicht allerlei "neuhervorbrechende Gläublein und Lieblingsmeinungen behandeln". Diese verständige und weitherzige Anordnung ist dem ganzen Land und besonders auch unserer Gemeinde zum Segen geworden und hat viel zum geistlichen Leben der Gemeinde beigetragen. Ein liebliches Christgeschenk erhielt die Gemeinde in Gestalt eines neuen Silbernen Krankenabendmahlgeschirrs. eine große Zahl Bürger hat dazu beigesteuert mit großen und kleinen Gaben; die kleinste war 7 1/2 Kreuzer von einem Kranken,  [pag153] der bald darauf gestorben ist. So hat sich frommer xSinn trotz aller Not und Armut noch betätigt zur Ehre Gottes und zu der Kranken Trost und Heil. 

Am 10. März 1744 hielt der junge Herzog Karl Eugen unter dem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug in Stuttgart. Friedrich der Große hatte die vorzeitige Mündigerklärung beim Kaiser durchgesetzt. Er hielt den Sechzehnjährigen für fähig, sein Volk glücklich zu machen, und schärfte ihm ein, daß er dazu bestimmt sei und daß nicht Württemberg für ihn da sei, sondern er für sein Land. Und er versprach, als ein rechtschaffener und wahrer Vater des Vaterlandes treuherzig zu handeln. In den ersten Jahren, solange Männer wie Bilfinger, Georgii und Joh. Jak. Moser seine Ratgeber waren, ging es auch ganz gut. 1748 verheiratete er sich mit der jungen Elisabethe Friederike Sophie von Brandenburg. Für den Einzug des jungen Paares wurde daß Büchsentor neu aufgebaut, und Deputationen der Landschaft, der Städte und Ämter brachten Glückwünsche und Geschenke dar. Als Gegengeschenk wurde dem Volk ein 9 Zentner schwerer Ochse gebraten und mit Hasen, Feldhühnern und Bratwürsten gespickt, 6 gebratene Hammel und 2 Stunden lang weißer und roter Wein aus zwei vergoldeten Meerpferden gespendet. Aber er tat auch manches für das Wohl des Landes. In unserem Ort ist 1746 trotz aller Not und Armut das Kirchbauwesen abgeschlossen worden. Es war eine unvermeidliche Notwendigkeit. Das Dach des Glockenturms war schadhaft, die Uhr verderbt, eine Seite der Kirchhofmauer am Zusammensinken. Unter den Beiträgen, die die Gemeinde zu ihrem Bauwesen bekam, war der höchste mit 75 Gulden vom Kirchengut. Es wurde auch eine Kollekte in 10 Ämtern verwilligt. Die Gemeinde hat auch in der Zeit höchster Bedrängnis 1732 für die baufällige Kirche in Obertürkheim und in Uhlbach ihr Opfer dargebracht. Als die Außenarbeiten vollendet waren, fand man, daß die Kirche auch innen eine Erneuerung nötig habe. Die Wände sahen "vom eingefressenen Staub ganz finster und rauchig aus", und die 21 Figuren von Aposteln und Propheten waren "fast ausgelöscht". Um 100 Gulden und 5 Gulden Douceur (Trinkgeld) wurden sie trotz der Einsprache des Pfarrers, der meinte, das Weißnen genüge, [pag154] von einem Eßlinger Flachmaler wiederhergestellt. (1911 haben wir vergeblich danach gefahndet.) Die Arbeit wurde auch fortgesetzt, trotzdem daß am 4. Juli 1745 der Ort von einem formidablen Hagelwetter heimgesucht wurde. Die Kollekte in den 10 Ämtern ergab 170 Gulden. 

Als der seit 40 Jahren das Schulamt versehende Schulmeister Josias Schindler einen Amtsgehilfen brauchte, schlug er den Bräutigam seiner Tochter Jakob Baltz vor, der schon bisher als Provisor hier gearbeitet und von Fellbach die besten Zeugnisse mitgebracht hatte. Er zeichnete sich besonders in Vokal- und Instrumentalmusik aus, tätigte eine ganze Anzahl von Instrumenten geschickt zu traktieren und hatte zudem etwas Lateinisch gelernt, "so heutzutage bei einem qualifizierten Schulmeister ein nötiges Requisitum ist". Da er auch in seinem Wandel das beste Lob hatte, so wurde nach vorhergegangener Examination und Probe in der Kirche zur Wahl geschritten. Und auf die einstimmige Wahl, die untertänigst einberichtet wurde, ist die Konfirmation gnädigst erfolgt. Der vierundsechzigjährige Schwiegervater durfte sich nicht lange der Hilfe freuen. Am 15. März 1747 ist er nach zweiundvierzigjährigem Schuldienst gestorben. Baltz aber war offenbar zu musikalisch. Bei der Visitation im November 1747 mußte er sich fragen lassen, er solle sich nicht sowohl auf die Musik als vielmehr auf die Schule applizieren, nicht aus der Schule laufen wegen irgend einer Kleinigkeit, gute Provisoren halten und nicht oft mit denselben wechseln, auch als Mesner winters pünktlich 1/2 6 Uhr den Tag anläuten. 

Der Gassenbettel wurde ganz unerträglich, und die Gemeinde mußte wieder einen Bettelvogt anstellen. Friedrich Schönhaar ließ sich zur Übernahme dieses dornenvollen Amtes bestimmen; aber er überließ das Geschäft seinem Weib, die alles laufen ließ, und so schaffte man ihn wieder ab. Von Stuttgart und Eßlingen war Klage gekommen über das Auslaufen hiesiger Bettler, und man verbot ihnen das auswärtige Betteln bei Strafe des Zuchthauses" (Ortsarrest). Aber weil nun eben die 6 Kreuzer, die der Heilige für die Woche verwilligte, nicht reichten, mußte man wohl oder übel den Armen gestatten, dreimal wöchentlich vor den Häusern ein Stücklein Brot zu heischen. Die Jahre 1747 und 1748 waren wieder rechte Sterbejahre; 20 Kinder starben an den Pocken, andere an Friesel und roter Sucht, über 20 Gemeindeglieder hat ein hitziges Fieber weggerafft. Bei den Adeligen kam in jener Zeit die Sitte auf, Leichenbegängnisse bei Nacht zu halten. So ist eine Frau von Kaltenthal, geborene von Zobeldiz, deren Vater hier wohnte, nachts "bei einer Ansprache und Vokal- und Instrumentalmusik" begraben worden. "Um der Einfachheit willen" wurden aber auch Arme bei Nacht begraben. Im November 1749 starb mit 67 Jahren der fürstliche Keller- und Amtmann Benedikt Alexander Krafft. Er wurde auch bei Nacht mit einer Ansprache begraben. Sein Nachfolger wurde Johann Andreas Wolff. Einen jähen Tod fand der rechtschaffene und fromme Johannes Schmauk. Er hatte am Morgen andächtig mit den Seinen gebetet und wollte dann Türkenkornabzuglaub (Welschkornfedern) auf den oberen Boden der Scheune hinaufziehen. Da brach ein Brett und er fiel so unglücklich, daß er nach wenigen Stunden tot war. 

Nachdem im Jahr 1740 dem Herzog von der Landschaft zur Erleichterung der Quartierlasten eine weitere Kaserne gebaut worden war, hat Serenissimus diese Kaserne zu dem neuen Schloß, dessen Grundstein er 1746 gelegt hatte, gezogen. Und nun wurden die Soldaten wieder in Bürgerquartiere gelegt, und zwar mit Weib und Kind und voller Verpflegung, weil es den Herzog so am billigsten kam. Daß die Last für die Untertanen so am größten war, kümmerte ihn nicht. Eine unerträgliche Belastung bringt das Wild. Mit kleinen Hunden, die mit Bengeln am Laufen und mit Maulkörben am Beißen gehindert sind, darf man das Wild verscheuchen. Wenn Sie aber der Förster im Wald antrifft, darf er sie abschießen. Noch mehr Schaden als das Wild machen die herzoglichen Jagden mit ihren Quartieren, Fronen und Treiberdiensten. Im Jahr 1749 mußte sich der Herzog vom Ausschuß der Landschaft sagen lassen, man habe schon zu oft erfahren, daß die gnädigsten Promessen (Versprechungen) nachher nicht gehalten werden. Er hatte sich entsprechend den Religionsreversalien verpflichtet, den katholischen Gottesdienst auf die Hofkapelle zu beschränken. In diesem Jahr aber hielt er Fronleichnamsprozession mit höchstem Pomp in dem an der Straße gelegenen Schloßhof. Die Glocken läuteten, die Kanonen donnerten, und die evangelischen Soldaten mußten Salven abfeuern.

[pag155] 1751 mußte an zwei Sonntagen nacheinander der Gemeinde das Hochfürstliche Trauerreglement promulgiert werden. Dasselbe bestimmt aufs genaueste die Trauerzeit und die Trauerkleidung wie die Beerdigung. Das Führen deren Weibspersonen in Kutschen blieb in der fünften und sechsten Klasse, die für unsern Ort in Betracht kam, gänzlich abgestellt, ebenso das Singen. Doch konnte beim Oberamt Dispens nachgesucht werden. Da das Geläute hier öfter eine ganze Stunde dauerte, was "für die Glocken gefährlich und für die kostbaren Seiler schädlich" ist, wurden auch dafür bestimmte Anordnungen gegeben. Die Totenkränzlen und die Abgabe eines Trauerkleides an das Gesinde soll bei 10 Gulden Strafe allen Ernstes verboten sein. Für die Untertanen wurde alles streng geordnet. Der "Landesvater" selbst aber führte "ein wahrhaft galoppartiges Leben", ließ seinen Launen unbeschränkt die Zügel Schießen in wildester Sinnlichkeit und unerhörter Verschwendung. Das Jahr 1753 hatte Frühfrost, Hagel und Dürre gebracht und das folgende wenig und sauren Wein. Der Untertürkheimer Heilige war fast nicht imstande, seinen Verpflichtungen nachzukommen. 1756 ruinierte ein fürchterlicher Sturmwind das Kirchendach derart, daß man den Schieferdecker von Stuttgart kommen lassen mußte. Die Ausstände des Heiligen, der 78 Schuldner hatte, gingen zu einem großen Teil nicht ein, obgleich ein Mal übers andere ein Hochfürstlicher Befehl erging, daß "die Eintreibung der Heiligenrester mit allem Ernst zu urgieren" sei. Als der Siebenjährige Krieg ausbrach, stellte sich der Herzog gegen seinen väterlichen Freund auf die kaiserliche Seite; und um ein selbständiges Kommando führen zu dürfen, verpflichtete er sich, ein Heer von 16 000 Manu aufzustellen. Dieses Heer brachte sein Geheimer Kriegsrat Phil. Friedr. Rieger zusammen. Gegen alles Landesrecht veranstaltete er Zwangsaushebungen der über 18 Jahre alten Tauglichen. Witwensöhne, Burschen, die die einzige Stütze alter Eltern waren, wurden genommen aus der Werkstatt, vom Pflug weg. Sonntags wurden die Kirchen umstellt, um Taugliche abzufangen. Die so zusammengetriebene Mannschaft machte dann schon vor der Rotebühlkaserne einen Krawall, und auf dem Marsch gab es bei Geislingen eine richtige Revolte. Sie wollten nicht gegen den evangelischen Preußenkönig kämpfen. Die Meuterei wurde unterdrückt und 16 Rädelsführer erschossen. Aber bei Lenthen? zählte das Korps neben 134 Toten und 160 Verwundeten 1832 Vermißte, die während der Schlacht desertiert waren. Nun mußte alle vier Wochen das Deserteurattrapierungsreskript von der Kanzel verlesen, und, als das preußische Heer sich dem Lande näherte, ein "expresser Gottesdienst" gehalten werden, um die zum Schutz des Vaterlandes getroffenen Hochfürstlichen Verordnungen "auf eine liebreiche Art" den Untertanen zu erklären. Im Jahr 1757 hatte der Herzog den vom Kaiser empfohlenen prachtliebenden und habsüchtigen Montmartin zu seinem ersten Minister gemacht, der die Kunst besaß, mehr zu scheinen, als er war, und den Herzog bei seinem gesetzwidrigen Treiben unterstützte, den Ständen aber erklärte, daß sie die Forderungen des Herzogs als unbedingte Befehle anzusehen haben. Es gab nun neue Zwangsaushebungen, und um das nötige Geld zu bekommen, wurde nicht bloß Tabak- und Salzmonopol eingeführt, sondern auch Steuern eingetrieben, die nicht bewilligt waren, und die Landschaftskasse mit Gewalt geleert. Als aber der Landschaftskonsulent Joh. Jak. Moser pflichtmäßig diesem gesetzwidrigen Treiben mutig entgegentrat, wurde er nach Ludwigsburg zitiert und vom Herzog wegen seiner "Respekt= und ehrenrührigen Schriften" auf den Hohentwiel geschickt. Mit den 12 000 Mann, die ihm Rieger wieder zusammengetrieben hatte, erntete der Herzog wenig Ruhm. 1759 wurde er, als er eben im Feld einen Ball veranstalten wollte, überfallen, und das Jahr darauf wurden ihm von seinem eigenen Bruder Friedrich Eugen 600 Jäger weggeschnappt. Im Oktober wurde sein Heer mit großen Verlusten zum Rückzug gezwungen. So entkleidete ihm das Kriegführen, und er kehrte 1761 in sein Land zurück, um nun hier Soldätles zu spielen. Sein Heer hat er nicht entlassen, sondern bei Oßweil ein großes Lustkampement bezogen. ein ganzes Zeltdorf brauchte Serenissimus für sich allein: Wohnzelt, Schlafzelt, Ankleidezelt, Zelte für Garderobe, Audienz u. a. - Und das alles, obgleich gerade die Jahre 1761 und 1762 eigentliche Mißjahre waren, die eine geringe Ernte an Korn und Obst und Wein brachten. Auch das folgende Jahr 1763 zeitigte "wenig und sehr schlechten Wein, den man nur mit Obstmost trinken konnte". So mußten sich die Steuerrückstände mehren, die [pag156] die Gemeinden bei den Amtspflegen hatten. Der Herzog aber befahl, diese Rückstände rücksichtslos einzutreiben. Und es wurde nun der reinste Beutezug veranstaltet; sogar die auf herzoglichen Befehl für Zeiten der Teuerung gesammelten Kommunfruchtvorräte wurden angegriffen. Den Ertrag dieses Beutezugs verwendete der Herzog für seine Zwecke. Oberst Rieger, der dabei eifrig mitgeholfen hatte, wurde von Montmartin verleumdet, und der Herzog riß ihm November 1762 auf der Parade seine Orden herunter, stieß ihn mit dem Stock auf die Brust und schrie: „Fort mit dem schlechten Kerl auf den Asperg!" In dem ehemaligen preußischen Unteroffizier Wittleder, den er zum Direktor des Kirchenguts machte, fand er dann einen anderen dienstwilligen Gehilfen. er hat ihm eine halbe Million Gulden aus dem Kirchengut abgeliefert und hat dem Herzog und sich selbst reiche Einnahmen verschafft durch Einführung des Diensthandels und Einrichtung einer gnädigst privilegierten Lotterie. Als der Oberamtmann von Waiblingen wagte, von der blutigen Armut der Untertanen zu reden, wurde er wegen ungebührlicher und unanständiger Ausdrücke um 100 Dukaten gestraft (1 Eimer Wein kostete damals 4—5 Dukaten). Und als der Regierungsrat Huber in Tübingen dem ungeheuerlichen Steuerplan des Herzogs widersprach und vom Wohl des Vaterlandes redete, brauste der Herzog auf: „Was Vaterland! Ich bin das Vaterland!" und schickte Huber für 6 Monate auf den Asperg. Seinen Geburtstag feierte er 1763 mit ganz unerhörter Pracht. Dem Pöbel wurde massenhaft gebratenes Fleisch und Wein aus zwei Springbrunnen preisgegeben, und er empfing diese Gabe mit Freudengeschrei. Am siebten Tag des Festes wurde in Ludwigsburg nach der Festtafel, an der es mehr als üppig herging, mit einem Feuerwerk der Schluß gemacht, bei dem allein 14 000, Raketen abgeschossen wurden. Dann kam erst noch ein Lustjagen, für das die armen, geplagten Untertanen schon seit Monaten hatten fronen müssen. Von allen Ämtern des Landes mußten mehr als 5000 Stück Wild, darunter Wildschweine, Füchse und Dachse, in Käfigen nach Degerloch geliefert werden, um dann in den extra dazu gegrabenen See getrieben und dort von den Herrschaften abgeschossen zu werden. Das Prachtfest in Ludwigsburg hat allein schon etwa 400 000 Gulden gekostet. Hält man dagegen, daß die armen Weiblein mit 6 Kreuzer in der Woche, also 5—6 Gulden im Jahr sich begnügen mußten, so mag man einen Begriff bekommen von dem Maß der Verschwendung auf Kosten der Armen und Ärmsten. Die Württemberger mußten für die Verschwendungssucht ihres Herzogs beinahe so viel Steuer pro Kopf zahlen wie die Preußen, die sich gegen eine Welt von Feinden in Siebenjährigem Krieg zu wehren hatten. Zu dieser Verschwendungssucht gehörten auch die Ausgaben für ein Heer, das in den Kasernen nicht Platz hatte und so jahraus, jahrein den Bürgern die schwersten Quartierlasten verursachte. Mit Weib und Kindern lagen sie hier. 1762 sind vier Soldatenkinder und eine Hauptmannsfrau hier beerdigt worden. Und dann mußte an drei Sonntagen für die Erbauung einer Garnisonkirche in Ludwigsburg geopfert werden. Und doch hätten die Untertürkheimer das Geld so nötig gehabt für die eigene Kirche. 1763 ist die dritte Glocke zersprungen und mußte mit einem Aufwand von 100 Gulden umgegossen werden. Am vierten Sonntag nach Trinitatis starb Pfarrer Magister Joachim Ludwig Neuffer, 68 Jahre alt, nachdem er 28 Jahre lang das hiesige Amt treu geführt hafte. Am 10. November zog sein Nachfolger, Magister Christoph Friedrich Wölffing auf, empfangen von Keller- und Amtmann Wolff, den drei Bürgermeistern Johann Dobelmann, Gottlieb Koch und Konrad Schindler und dem Heiligenpfleger Johann Moritz Zaiß. Er hatte sich seiner guten Qualitäten und geistlichen Eifers halben bei dem Hochwürdigen Domkapitel zu Konstanz besonders rekommandiert und hat die erfolgte Nomination sogleich Herzoglicher Durchlaucht nicht nur „untertänigst überreicht, als besonders auch die Sache zu fernerer höchster faveur (Gunst) demütigst anbefohlen" und gebeten, Durchlaucht möchte ihn nun gnädigst konfirmieren und investieren. „Der ich mich Eurer Durchlaucht Gnade erlasse und in submissestem Respekt versterbe untertänigster gehorsamster M. Wölffing." Er kam in eine rechte Krankheits- und Sterbezeit hinein. Im Jahr 1763 sind 88 Gemeindeglieder gestorben, mehr als die Hälfte an Pocken, Ruhr und hitzigem Fieber, und im Jahr 1764 ist das Sterben fortgegangen. Mehr als die Hälfte der Gestorbenen waren kleine Kinder. Es waren eben drei schlechte Jahre vorhergegangen. 

[pag157] Nachdem der Herzog von 1758 bis 1764 seinen getreuen Untertanen beinahe 10 Millionen Gulden an Steuern abgepreßt hatte, wurde eine allgemeine Vermögens- und Schutzsteuer aufgebracht. Und als die Stadt Stuttgart untertänigst darum einkam, daß sie mit der neuen Steuer verschont bleiben möchte, wurde der Herzog so wütend, daß er im Oktober den Sitz des Hofes naxch Ludwigsburg verlegte zum großen Jammer der Hausbesitzer und Geschäftsleute. Die Stände aber erhoben nun Klage beim Kaiser. Am 2. Juni 1766 ist endlich wieder der Landtag eröffnet worden, und der Herzog schlug eine gemeinsame Vergleichsdeputation vor. Montmartin wurde mit 4000 Gulden Ruhegehalt entlassen, hatte aber bis 1773 noch das Ohr des Herzogs. Ebenso wurde der Blutsauger Wittleder fortgeschickt. 
Die Armut der ausgesogenen Bevölkerung machte sich auch hier auf allerlei Weise geltend. Schuljahr 1765/66 fehlten 24 Schüler, einer 53 Tage. Aber immer wieder war die Entschuldigung, die äußerste Not habe sie getrieben, die Kinder daheim zu behalten. Die Schuldner des Herzogs konnten keinen Zins zahlen. Einer war von 58 Gulden Kapital 47 Gulden Zins schuldig. Dem Schulmeister Baltz mußte die Gebühr für eine Trauung und 12 Gulden rückständiges Schulgeld aus dem Heiligen ersetzt werden, weil die Eltern „bitter und bettelarm" waren. Die Gesuche um Unterstützung mehrten sich fortwährend. Für gewöhnlich wurden 6 Kreuzer in der Woche gereicht, bei schwereren Fällen 9 oder 10, bei besonders „elenden Umständen" auch 12. Nachdem 1765 wieder einmal ein gutes Weinjahr gewesen war, kam eine Reihe von geringen Jahren bis dann das Jahr 1770 eine eigentliche Mißernte brachte, die eine schwere Teuerung zur Folge hatte. Die Ausfuhr von Kartoffeln, die schon in ziemlichem Umfang angebaut wurden, mußte verboten und die Fruchtkästen, wo sie nicht geleert waren, mußten geöffnet werden. Die Leute haben sich „sauer und kümmerlich ernährt, Brennessel und „Schürtelen" und andere unmenschliche Speise gekocht und gegessen". Das Glöcklensgeld ging nicht mehr ein; um des frequenten Gassenbettels willen wollten die Leute nichts mehr zahlen, da überdies die Ortsarmen wöchentlich ein- bis zweimal sammelten. Man vertröstete sich damit, daß nach dem nächsten guten Herbst das Glöcklensgeld wieder eingezogen werden solle, und bemühte sich darum, daß in den Wirtshäusern die Schwörbüchsen nicht fehlen; die Wirte waren verpflichtet, bei den Gästen, die sich mit Fluchen und Schwören vergingen, 15 Kreuzer einzuziehen für die [pag158] Büchse. Obgleich das Jahr 1772 wieder viel Wein gebracht hatte, wollten doch die Ausstände nicht eingeben, und im Jahr 1774 meldete der Heiligenpfleger, daß seine Kasse so erschöpft sei, daß er nicht einmal das wöchentliche Almosen auszahlen könne, weil manche Schuldner mit dem Zins von 2-3 Jahren im Rückstand seien. Daraufhin wurde beschlossen, solchen morosis die exekution einzulegen. Und wirklich war nach dem Herbst die Kasse wieder so gestellt, daß sogar Anlehen von 25-60 Gulden verwilligt werden konnten. 

Für die Schule stellte Schulmeister Baltz zwei Provisoren ein, den einen bloß für den Winter. Der eine war ein Bürgersohn Philipp Jakob Warth. Die Konfirmation und Schulentlassung durfte nicht vor dem vollendeten vierzehnten Jahr stattfinden, dafür sollte außer an Quasimodogeniti noch am letzten Sonntag des Kirchenjahrs eine Konfirmation gehalten werden. Der Schuleintritt fand, wie schon 1729 bestimmt worden war, mit dem sechsten Jahr statt. 

Durch den im Jahr 1770 mit den Ständen abgeschlossenen Erbvergleich sollten die alten Rechte wiederhergestellt, das Kirchengut gesichert und die Schuldentilgung geregelt und für das Militär nicht mehr als 460 000 Gulden im Jahr verwilligt, auch alles in Kasernen untergebracht werben. Die Stände mußten freilich schon im folgenden Jahr die alte Klage erheben, daß Serenissimus seine Versprechungen nicht halte. Auch die Einschränkung der Gewalt und Eigenmächtigkeit des engeren Ausschusses gelang nicht. Moser mußte aus dem Gefängnis entlassen werden, aber der engere Ausschuß berief ihn nicht mehr in sein Amt. Er hätte der willkürlichen Verwaltung der „geheimen Truhe" hinderlich sein können. Durch die Verlegung des Hofes nach Ludwigsburg kam die Residenzstadt sichtlich herunter. Kehrichthaufen konnte man vor den Häusern liegen sehen, und an den Gossen, die sich durch die Mitte der Straßen zogen, schnatterten Enten und Gänse. Sonst wurde die ländliche Stille der Hauptstadt nur noch durch die brüllenden Viehherden unterbrochen, wenn sie der Hirte von der Weide heimtrieb. 1775 ließ endlich Serenissimus wieder der Stadt die Sonne seiner Gnade leuchten. Im Mai kehrte der Hof nach Stuttgart zurück. Am 18. November zog der Herzog an der Spitze der B0 Zöglinge der Karlsschule, die bisher auf der Solitüde untergebracht waren, in der Stadt ein. Und nun wandelte sich Stuttgart wieder. In den sauber gehaltenen Straßen spazierten Kavaliere in goldstrotzenden Gewändern, und elegante Hofdamen wurden in Sänften getragen, und die über den Straßen hängenden Laternen wurden regelmäßig angezündet. 

Im Jahr 1775 ist Johann Jakob Baltz, der 29 Jahre lang den Dienst hier versehen hatte, erst 50 Jahre alt, an der schwarzen Gelb- und Wassersucht gestorben und an seine Stelle der Kollaborator Schönlein gewählt worden. Bei der Visitation durch Spezialsuperintendent Jäger wurde auf Abstellung der zahlreichen Schulversäumnisse gedrungen, auch festgestellt, daß das Rechnen bei Knaben und Mägdlein als etwas Notwendiges in Gang gebracht werden müsse. ein Vater, der in die Schule eingedrungen war und sich ungebührlich aufgeführt hatte, weil sein Bube vom Lehrer gezüchtigt worden war, wurde mit einer kleinen Frevel-Herrschaftstrafe, 3 Gulden 15 Kreuzer, angesehen und dazu verurteilt, dem Schulmeister Abbitte zu tun. 

Nachdem der Herzog 1776 drei Regimenter zu Fuß aufgehoben, auch sein Fürstenwort gegeben hatte, daß dem Diensthandel ein Ende gemacht werden solle, kam mit seinem Geburtstag, dem 11. Februar 1778, der Tag der Umkehr. Von allen Kanzeln mußte ein Manifest verlesen werden, in dem der Herzog bekannte, daß vieles geschehen sei, das nicht hätte geschehen sollen, daß aber von diesem Tag an, als seinem zweiten Geburtstag, Württembergs Glückseligkeit sein einziges Bestreben sein solle; die Untertanen aber sollen ihrem Landesvater mit allem Zutrauen und Gehorsam entgegenkommen. „So muß es Württemberg wohl gehen." Diese Wendung der Stimmung und Gesinnung des Herzogs war nicht sowohl den Klagen der Stände als vielmehr dem Stillen Einfluß seiner Franzel zu danken. Franziska, geschiedene Freifrau von Leutrum, war vom Kaiser Joseph II. zur Reichsgräfin von Hohenheim ernannt worden. Und mit ihr lebte der Herzog in Hohenheim fast ohne Hofstaat. Sie war eine fleißige Kirchgängerin, in Birkach hat ihr der Herzog eine Kirche gebaut. Weil aber des Herzogs Gemahlin Friederike noch lebte, war Franziska zu ihrem großen Schmerz vom Abendmahl ausgeschlossen. 1780 starb die Herzogin die seit 1756 außerhalb des Landes gelebt hatte, und die Landschaft bot dem Herzog ein [pag159] jährliches Geschenk von 50 000 Gulden an, wenn er keine Österreichische Prinzessin heirate. Aber die Heirat mit Franzel wurde vom Papst nicht gestattet, weil Sie eine geschiedene Protestantin war. Erst 1785 ließ sich dann der Herzog vom Hofprediger im Neuen Schloß trauen und kam nachträglich beim Papst um Dispens ein, der allerdings erst 1791 gewährt wurde. Franziska aber durfte nun als eheliches Gemahl am 27. März 1785 zum erstenmal wieder in ihrer Kirche in Birkach mit der Gemeinde zu Gottes Tisch treten. Und die treugesinnten Untertanen freuten sich von Herzen der regierenden Frau Herzogin, deren Leutseligkeit und Milde schon längst alle Herzen mit dankbarer Liebe erfüllt hatte. 

Die Zeiten waren freilich auch jetzt noch schwer trotz aller landesväterlichen Fürsorge, die eben manchmal auch versagte. So war in den vierziger Jahren das Mühlwehr beim Berger Wasserhaus, um der herrschaftlichen Mühle ein möglichst starkes Gefäll zu verschassen, „ohne Ziel und Maß" erhöht worden, und doch wurde das die Hauptursache der zerstörenden Hochwasser und bei Eisgängen besonders verderblich, denn der Neckar hatte von der Untertürkheimer Brücke an fast kein Gefäll mehr. Als es aber nun 1770 durch Hochwasser weggerissen wurde, hat man es in derselben Höbe wieder aufgebaut, und 1787 hat die Gemeinde Untertürkheim um Entlastung von dem "Beitrag von 14 093 Kreuzer für die beabsichtigte Neckarkorrektion, „deren Genuß fast ausschließlich der Herrschaft zugut komme". Zu den Überschwemmungen, die eine um die andere der Gemeinde schwere Not und großen Schaden brachten, kamen immer wieder Seuchen, vor allem die Pocken, 1780 das hitzige Gallen- und Faulfieber, das schon im Vorjahr 13 Opfer gefordert hatte. Von den für die Bekämpfung dieser Seuchen aufgewendeten 408 Gulden hatte die Gemeinde ein Drittel zu zahlen. Der Versuch, sich von den einzelnen die Kosten ersetzen zu lassen, gelang bei 13 Bürgern, die nur 12 bis 40 Kreuzer zu zahlen hatten. Dagegen erklärte einer, der 14 Gulden 4 Kreuzer hätte zahlen sollen, seine völlige Zahlungsunfähigkeit, und einer, der 3 Gulden schuldig war, zahlte 45 Kreuzer, also dreiviertel Gulden, so gingen statt 136 Gulden, 26 ein. Es gab eben schon damals nichts Widerwärtigeres als das Zahlenmüssen. Das mußte der geplagte Heiligenpfleger besonders beim Einzug des Glöcklensgeldes immer wieder erfahren. 1782 hatte man die Bürgerschaft vorgefordert und jeden um seinen freiwilligen Beitrag befragt, ihn „zur Billigkeit erinnert und zu einem mehreren nach Proportion des Vermögens angefrischt". Aber wenn dann der Heiligenpfleger kam, hatte einer kein Geld, und wenn es sich nur um 3 Heller oder 1 Kreuzer handelte, und ein anderer behauptete, schon gezahlt zu haben. 

1767 hat Pfarrer Wölffing sich an der Landstraße unter der Kirche ein eigenes Haus über der Fleckenschmiede (daher die feuersichere Waschküche) erbaut. Das nach dem Brand 1693 wieder aufgebaute Pfarrhaus war in schlechtem Stand und der konstanzische Oberpfleger in Eßlingen ließ nicht das geringste ausbessern. Nach umständlichen Verhandlungen wurde 1783 ein Kaufbrief ausgefertigt, und das Domstift erklärte sich bereit, das von Wölffing erkaufte Haus an Stelle des alten ruinösen Pfarrhauses der Pfarrei zu überlassen, und der Hohe Kirchenrat fand nichts „dawider zu exzipieren", da nach Ausweis des Augenscheins die Pfarrei nach allen Teilen bei diesem Tausch wohl gefahren sei. 

1777 standen die Weinberge schön, aber am 20. Oktober, als man zu lesen anfing, sind die Trauben steinhart gefroren, so gab es wohl einen sehr guten Wein, aber wenig. Dagegen hat es in den Jahren 1780, 1781 und 1783 viel und sehr guten Wein gegeben. Der Winter 1784/85 aber war sehr hart, so daß 30 Bürger wegen Holzmangels um ein Anlehen beim Heiligen einkamen mit dem Versprechen, es im Frühjahr heimzuzahlen. Man mußte dann freilich bis zum Herbst warten, weil den Sommer über der Verdienst zu gering war. Im Jahr 1786 ist dann endlich auch die Reparatur des Kirchhofs, der Kirche und des Kirchturms zustande gekommen. Schon 1777 hat man darüber verhandelt, 1779 wurde festgestellt, daß die Kirchhoftüren eine Reparation benötigen. Jahr um Jahr stellten sich neue Schäden heraus am Kirchturmdach, aber auch an den Kirchenstühlen. Und als dann 1782 ein Bauüberschlag eingereicht wurde, war im April 1785 noch keine Resolution erfolgt. Endlich, am 10. Mai 1786, konnte mit dem Umdecken des Kirchendachs, wo es überall hereinregnete, begonnen werden.[pag160] Und als dann auch die im Dezember 178S zersprungene Sturmglocke umgegossen war, konnte man am Ende des Jahres sich freuen, daß das Geläute wieder vollständig und die Kirche vor Sturm und Regen gesichert war. 

Karl Herzog hat seinem Volk Glück und Heil verheißen, und es ist in der zweiten Hälfte seiner Regierung wirklich viel zum Wohl des Landes geschehen. Es wurden Kunstsstraßen gebaut zu einer Zeit, da andere Länder uns darum beneideten. An den Rändern der Straßen wurden Obstbäume gepflanzt, wie überhaupt der Obstbau namentlich auf den Allmanden sehr gefördert wurde. Bis zum Jahr 1784 war die Schiffbarmachung des Neckars bis Cannstatt vollendet und in Cannstatt ein Kranen aufgestellt. Die Neckarschiffe waren auch zur Aufnahme von Reisenden eingerichtet. Sümpfe und Moore wurden in fruchtbares Land verwandelt, das Brachfeld wurde nicht mehr brach liegen gelassen, sondern gedüngt und mit Kartoffeln bepflanzt, deren Anbau gefördert und immer allgemeiner wurde. Man lernte Klee unter die Gerste säen und so das Brachfeld anblümen. Durch den Bau von Futterkräutern wurde die Stallfütterung erleichtert und der nötige Dung gewonnen. Auf sorgfältigen Bau der Weinberge und gute Behandlung des Weines wurde mit allem Nachdruck gedrungen, Anbau schlechter Sorten, wie Putscheren, verboten, ebenso das Vermischen des Weins mit Obstmost. Die Bütten sollten bei Regen bedeckt und nicht etwa unter die Dachtraufe gestellt werden. Nachdem in der ersten Zeit seiner Regierung die Wälder grausam verwüstet worden waren, legte der Herzog jetzt großen Wert auf sorgfältige Aufforstung. Die Landwirtschaftliche Hochschule in Hohenheim bildete auch Forstleute heran. Aber auch die Industrie suchte er zu fördern. In Ludwigsburg begründete er eine Porzellanfabrik, die sich einen guten Namen erwarb. Die Ausfuhr nahm so zu, daß sie die Einfuhr von 2 Millionen Gulden im Jahr um 1 Million, also um die Hälfte, übertraf. Im Jahr 1762 betrug die Einwohnerzahl des Landes 473 000; 1790 aber 610 000 Seelen. Dabei waren freilich allerlei Schäden scheinbar nicht auszurotten, trotz aller guten Vorsätze und Versprechungen. Die Landwirtschaft litt fortgesetzt unter der unglaublichen Menge des Wildes. Obgleich 1790 etwa 12 000 Stück Rotwild, Schwarzwild und Hasen abgeschossen wurden und in den kalten Wintern noch mehr zuschanden gegangen waren, wurde doch die Ernte des Jahres vom Wild zerfressen und zertreten. Im folgenden Jahr erging dann der Befehl, das schädlichste Wild, die Säue, ganz abzuschießen. Ein anderer Landschaden war der Ämterhandel, der eben Geld einbrachte, und der Herzog brauchte fortgesetzt für seine Liebhabereien, Bauten und Gründungen Unsummen. So hat er denn 1786 ein Regiment Soldaten an die Holländisch-Ostindische Kompanie verkauft. Der Dichter Schubart, den der Herzog mit Hinterlist gefangen und jahrelang auf dem Asperg eingekerkert hatte, hat ihnen jenes Lied gedichtet: „Auf, auf, ihr Brüder, und seid stark, der Abschiedstag ist da." Um das geistige Leben seines Volkes hat Karl Herzog sich entschiedene Verdienste erworben: die Landesbibliothek begründet, das Schulwesen gefördert. Württemberg stand in jener Zeit an der Spitze unter den deutschen Ländern. Seine Lieblingsgründung war die Karlsschule, bei der sich in eigentümlicher Weise seine landesväterliche Güte mit seinem Despotismus vereinigte, wir dürfen nur an Schiller denken. Im Sommer 1791 wurde für die evangelische Kirche ein neues Gesangbuch eingeführt, das, echt rationalistisch, «die natürliche Sprache der Empfindung und des gemeinen, gesunden Menschenverstandes und den Ausdruck der sanften Andacht" in den Liedern bevorzugte. So wurden viele der alten Lieder weggelassen, andere umgearbeitet und neue aufgenommen, die „die richtigen herzerhebenden Religionslehren in ihrer eigentümlichen Gestalt und Kraft darstellen und gottselige Gesinnungen und freiwillige Entschließungen zum Glauben und Gehorsam gegen Gott zu erwecken vermögen". Das Gesangbuch, so wohlgemeint es war, fand viele Widersacher selbst unter den Vorgesetzten. Es sollte aber keinerlei Zwang gebraucht, sondern mit aller Mäßigung und Klugheit vorgegangen werden; besonders aber sollte man sich bemühen, die Jugend daran zu gewöhnen. Dementsprechend wurde im hiesigen Kirchenkonvent „in untertänigster Befolgung des gnädigsten Befehls" beschlossen, 40 Gesangbücher in Leder gebunden zu 48 Kreuzer zu befreiten und unter die Schuljugend auszuteilen. (Ich habe hier noch eine alte Frau gekannt, die die Gesangbuchverse nach diesem Gesangbuch anzuführen pflegte.) So [pag161] hat „bei stillen ordnungsliebenden und für das Gute empfänglichen Gemeinden das Gesangbuch erwünschten und ruhigen Eingang gefunden". Eine Rede, in der die Aufhebung der Glaubensunterschiede in der Karlsschule gerühmt wurde, weil dadurch der schädliche Parteigeist, die nichtswürdigen Zänkereien und die Unduldsamkeit in der Geburt erstickt und Friede und verträgliche Leute herangebildet werden, erregte bei Prälaten und Landesausschuß großes Ärgernis. 

Schon länger hatte der Herzog gekränkelt. 1791 war er zwar noch einmal in Paris, mußte aber die dreifarbige Kokarde tragen, die er dann bei Straßburg in den Rhein warf, und in seinem Lande verhängte er strenge Zensur über die Zeitungen (Oktober 1786 erschien die erste Nummer des Schwäbischen Merkur). Den Franzosen gegenüber wollte er strenge Neutralität wahren. An seinem Geburtstag 1793 wurden die Gemeinden aufgefordert, um Erhaltung des kostbaren Lebens und der Gesundheit des Landesvaters Gott anzurufen. Aber am 22. Oktober ist er gestorben. „Pfarrer, Sterben ist kein Kinderspiel", soll sein letztes Wort gewesen sein. Alles trauerte um den geliebten Fürsten. Das Schlimme hatte sein treues Volk vergessen, man dachte nur noch an das Gute, das er seinem Lande getan hatte. Friedrich Schiller, der 1782 dem gewaltigen Herrn entflohen ist, sagte beim Anblick seiner Gruft: „Da ruht er, dieser rastlos tätige Mann. Er hatte große Fehler als Regent, größere als Mensch; aber die ersteren wurden von seinen großen Eigenschaften weit überwogen, und das Andenken an die letzteren muß mit dem Toten begraben werden." Erst am 23. Februar 1794 wurde dem Entschlafenen die Leichenpredigt gehalten, aber nicht mehr von Pfarrer Wölssing, der nach ausgestandener harter Krankheit 1793 um seine Zuruhesetzung eingekommen war, sondern von seinem Schwiegersohn und Nachfolger Magister Johann Busch. Herzog Karls guter Engel, die treue Gefährtin der besseren Hälfte seiner Regierungszeit, die Herzogin Franziska, nahm ihren Witwensitz in Kirchheim u. T. Am 18. Juni 1794 mußten die Untertürkheimer zur Erbhuldigung nach Cannstatt. 

[pag162] Der neue Herr entließ die aufgeklärten Hofprediger seines Bruders und hob ohne weiteres die Karlsschule auf. Auch gegen den Ämterhandel xging er vor. Als er aber verlangte, daß die Beamten nachweisen sollten, wie sie zu ihrem Amt gekommen seien, da stellte es sich heraus, daß fast alle es gekauft hatten. Voll Entrüstung über die französischen Königsmörder befahl er die Aushebung von 14 000 Mann Landmiliz; aber die Burschen brauchten die Gewehre zum Wildern. Und als hier ein Mann im Wirtshaus von Milizblitz redete, wurde er nachts elf Uhr von zwei Burschen überfallen und blutig geschlagen. Es war angeordnet, daß die kinderlehr- und Sonntagsschulpflichtigen Mannschaften (die Pflichtigkeit ging bis zum vierundzwanzigsten Jahr) nach wie vor dieselbe zu besuchen haben. Der Kampf gegen die Franzosen, die Krieg den Palästen, Frieden den Hütten verkündigten, war sehr wenig populär. In den kriegerischen Zeiten mußte überall gespart werden, und so ist Ende September die Brücke über den Neckar eingebrochen. Während der Wiederherstellungsarbeiten wollte der Bürgermeister von Reutlingen hinüber. Beim Wiederaufsteigen auf sein Pferd wurde er aber von diesem hinuntergeschlagen und fiel auf Pfosten auf, so daß er starb. 

Am 21. Juli 1795 mußten die Bürger schon wieder zur Erbhuldigung in die Amtsstadt. Am 20. Mai war Herzog Ludwig Eugen, vom Schlag getroffen, tot vom Pferd gestürzt, und sein Bruder Friedrich Eugen hatte die Regierung übernommen. Er war mit Sophie Dorothea von Brandenburg verheiratet und seine acht Söhne und vier Töchter waren evangelisch und also Aussicht, daß die württembergischen Fürsten einmal wieder den Glauben ihres Volkes teilen würden. Der Herbst 1792 war ein Fehlherbst gewesen und der von 1795 war wieder schlecht, und dazu kamen die Kriegsunruhen. So wuchs die Not und die Zahl der Unterstützungsbedürftigen wurde sehr groß. Aber neben der materiellen Not und Armut drang auch ein böser Geist der Unordnung und Widersetzlichkeit in die Gemeinde ein, bürgerliche und kirchliche Pflichten wurden geringgeschätzt und vernachlässigt. Und nun kam der Krieg zu uns. Juli 1796 rückte Moreau mit seinen Sansculotten in Stuttgart ein. Die kamen daher wie Vagabunden und Räuber, viele barfuß, ohne Hosen (sans culotte) oder mit Hosen die sie sich aus geraubtem Bettzeug gemacht hatten, auf dem Kopf die rote Freiheitsmütze mit dreifarbiger Kokarde oder auch einen verwitterten braunen Hut, an dem etwa ein gestohlener silberner Löffel oder auch eine Tonpfeife steckte. Die Franzosen erzwangen den Übergang über den Neckar bei Cannstatt, und es kam zu Gefechten zwischen Cannstatt und Eßlingen, bei denen auch in unserem Ort Kanonenkugeln einschlugen. Doch richteten sie keinen größeren Schaden an. Jetzt lernten also die Untertürkheimer die Freiheitshelden kennen, die Frieden den Hütten brachten. Bei Michael Scheef im „Usserdorf" stimmte das freilich nicht so ganz. Er hatte zehn „fremde Völker" ins Quartier bekommen, die nun gehörig im Haus herum fuderten und schrien und immer noch mehr Schnaps haben wollten; als er keinen mehr hatte, glaubten sie's nicht und drangsalierten ihn, bis er die ganze Gesellschaft auf die Kirbe lud. Unglücklicherweise verstand aber einer Deutsch, und nun hatte der Hausherr Zeit auszureißen auf den Heuboden und von da an einer Leiter durchs Lädle hinunter. Es gelang ihm, seinen Verfolgern zu entkommen, und er flüchtete in ein Weinberghäusle in der Freigelshalde im Wolfelsbachtäle. Hier mußte er ordentlich Hunger leiden, bis sein Weib seinen Aufenthalt erfuhr und ihm einen Korb voll Nahrungsmittel bringen konnte. Da Erzherzog Karl erklärte, das Land nicht mehr schützen zu können, schloß der Herzog mit den Franzosen Frieden. Er mußte 8 Millionen Kriegssteuer zahlen und Mömpelgard abtreten. Die Franzosen bekam er aber nicht los, und die Österreicher behandelten nun Württemberg als Feindesland. Wegen der Kriegslasten, die auf 11 1/2 Millionen Gulden gestiegen waren, berief der Herzog zum erstenmal wieder seit 27 Jahren den Landtag. Der brachte nun allerlei Übelstände zur Sprache und stellte Forderungen auf, sandte sogar einen eigenen Gesandten nach Paris, um den herzoglichen zu überwachen. Während aber über eine Vermögenssteuer, die dem Herzog nicht gefiel, beraten wurde, starb er am Schlag, Dezember 1797, und sein Sohn Friedrich II. trat die Regierung an mit dem Versprechen, die Rechte seines Volkes zu wahren und sein Wohl zu fördern. Eine der ersten Regierungshandlungen Friedrichs II. war ein herzoglicher Synodalbefehl, daß für Vergrößerung der viel zu kleinen Schulstuben oder für eine [pag163] weitere zu sorgen sei. Schon 1791 wurde über Erweiterung der Schulstuben beraten und zwei Jahre später dieselbe für nächstes Frühjahr beschlossen. Aber geschehen ist nichts. Und am 20. April 1798 wurden nicht Baugelder verbilligt, sondern die zur Kriegsprägstationskasse einzuliefernde Kontribution berechnet. Auch der Herzog hatte 2 v. H. von seinem nicht ganz 6000 Gulden betragenden Vermögen und 1 v. H- aus dem Vermögen der Stiftungen abzuliefern. Immerhin ist die schon in den achtziger Jahren in ruinösem Zustand befindliche Orgel Ende 1798 von Orgelbaumeister Wälder wiederhergestellt worden. Auf die Heiligung des Sonntags wurde damals noch streng gehalten. Viele Bürger hatten Ipsgruben, und da kam der Unfug auf, daß an Sonn- und Feiertagen der Ips geladen wurde. Dies wurde nun vom Zensurgericht streng verboten. Gleichwohl luden zehn fremde Bauern am Ostermontag ihre Wagen. Vor das Zensurgericht gefordert, konnten sie sich mit Unwissenheit entschuldigen, und es wurden dann auch sechs Ipsgrubenbesitzer mit je 1 Pfund Heller (42 Kreuzer) gestraft.