War der Hausstand gegründet, so galt es, den angetretenen
Besitz zu wahren, womöglich im Hinblick auf die heranwachsenden
Kinder zu vermehren. Wohl spricht man vom Weingärtner und
nicht vom Weinbauern, aber damit will die Sprache nur zum Ausdruck
bringen, daß der Weinstock mit mehr Sorgfalt gepflegt werden
muß als das Getreide. Die Arbeit dagegen, die in und an
den Weinbergen verrichtet werden muß, ist eher noch härter
als die Arbeit des Bauern. Nicht bloß, daß die Arbeit
im bergigen Gelände mühseliger ist, auch eine eigentliche
Ruhepause gibt es für den Weingärtner nicht, gab es früher
noch weniger als heutzutage. Zwar gab es immer im Sommer die "Gräebeheislesfeiertich".
So nannte man die unfreiwilligen Feiertage, in denen schlechtes
Wetter die Arbeit im Freien unmöglich machte, die Tage, in
denen der ehedem unzertrennliche Begleiter des Weingärtners,
der "Gräeba" oder die "Feldkommode" (er besteht aus "Schild" und "Gräebehäusle"),
zu Hause feiern darf. Da vertrieben sich die jungen Leute die Zeit
in der Scheuer und übten, wenn der Vater nicht gerade in der
Nähe war, Klimmzüge am Lotterseil oder spielten sie einen
Gaigel. Aber im allgemeinen brannte die Arbeit das ganze Jahr über
auf die Nägel. Die Sommergeschäfte des Weingärtners
sind an anderer Stelle behandelt, daneben blühte aber auch
die Winterarbeit, zumal in alter Zeit. Da wären dieselben
Arbeiten, die auch heute noch auf den Weingärtner warten.
Eine Mauer, die zunächst einen Bauch bekommen und dann "gekalbt" hatte
war wieder aufzubauen. Der ausgelaugte, teilweise durch Gewitterregen
fortgeschwemmte Boden bedurfte der Erneuerung. Es mußte deshalb
Erde getragen werden. In der Grube, aus der die Erde herausgeholt
wird, sieht ein Gesell, der "Erdestuhl" oder der sogenannte "Gempeler".
Darauf werden die Butten abgestellt, in denen der aus dem Boden
gegrabene "Leber" (Mergelerde) weggetragen wird. Es ist ein anstrengendes
Geschäft, das auch im Winter warm macht. Drei bis vier Liter
Most gab man einst dem Knecht mit, wenn er einen ganzen Tag Erde
zu tragen hatte. Ferner sind oft Wochen nötig, um alle Weinberge
mit dem erforderlichen Dung zu versorgen, immer wieder ein anderes
Gewann muß aufgesucht werden, der Weingärtner will
eben nicht alle seine Weinberge "unter einer Hagelwolke haben.
Noch waren die Wege, etwa in die "Hetzen" hinauf, so schlecht,
daß man sie nicht einmal mit Wagen befahren konnte. Ein Philipp
X, der zum erstenmal einen zweirädrigen Karren verwendete,
um sich die Arbeit in den Bergen zu erleichtern, erhielt deshalb
den Beinamen "Karrelipple". Wenn das Wetter keine Arbeit im Freien
erlaubte, wurden daheim "Band" gemacht, d. h. die Weidenruten,
mit denen man im Frühjahr die Reben "band" (an den Pfählen
festmachte), wurden hergerichtet, es war Welschkorn "auszubrockeln",
Steckzwiebeln zu "putzen", Bohnen oder Frucht war zu dreschen,
Arbeiten, bei denen man sich in der Nachbarschaft oder Verwandtschaft
gerne aushalf. Das Wort "Er frißt wie e Drescher" zeigt,
wie appetitanregend diese letztere Arbeit war.
Alle
diese Arbeiten machen im großen ganzen
die Weingärtner auch heute noch. Daneben aber gab es im Winter
ehedem noch zusätzliche Arbeit zu leisten. Die geringen Einnahmen
aus Feld- und Weinbau zwangen den Weingärtner dazu. viele
Untertürkheimer hatten ihre eigenen Steinbrüche. Wer
genauer beobachtet, kann im "Staigle", "Flohberg", rechts und
links der Fellbacher Straße, im "Galgenberg", im "Süßner",
in der "Blick" Spuren dieser ehemaligen Steinbrüche finden.
Etwa 100-120 Weingärtner waren mit solcher Steinbrucharbeit
beschäftigt. Die Steine wurden nun nicht bloß in den
hiesigen Gipsmühlen verarbeitet, sondern auch nach auswärts
geführt, teils mit dem Fuhrwerk, teils mit der Eisenbahn.
Die Ausfuhr war so groß, daß dafür am hiesigen
Bahnhof eine besondere Laderampe angebracht und ein Lagerplatz
angelegt war, der hinüberreichte bis zum Mühlkanal. Besondere
Gipszüge führten im Frühjahr 20-30 Eisenbahnwagen
Gipssteine nach Kirchheim, Geislingen und ins Bayrische. Dort wurden
sie in der Hauptsache zu Feldgips (dem sogenannten "Gütergips")
verarbeitet. So war von einer winterlichen Ruhepause nicht allzuviel
zu verspüren.
Wie die Männer, so mußten auch die Frauen harte Arbeit
leisten. Besonders sommers wollte die Zeit kaum reichen. Schon
in aller Frühe ging es auf den Wochenmarkt nach Stuttgart.
Vielfach wollte man das Fahrgeld sparen und trug deshalb die ganze
Gemüselast auf dem Kopfe nach Stuttgart. Wie froh waren die
Frauen, wenn sie oben am Postmichelkreuz die Steige hinter sich
hatten! Sie entwickelten dabei, von Kindheit auf geschult, eine
fabelhafte Sicherheit des Tragens. Freilich hie und da mußte
man auch verschnaufen. Noch heute erinnern je zwei Steine, ein
hoher zum Abstellen des Korbes, ein niederer als Sitzgelegenheit,
die da und dort an Fußwegen stehen, an diese alten Zeiten.
Bürgertöchter und -frauen gingen manchmal auch auf den
Hausierhandel, und zwar mit "Rompele". Es sind dies einjährige
gesäte Zwiebeln, die in Untertürkheim besonders gut gediehen.
Die Göttinger Samenhändler kauften sie auf und verhandelten
die Ware dann mit reichem Gewinn bis nach Norddeutschland! In der
näheren Umgebung jedoch verkauften die Untertürkheimer
Frauen die Rompele selbst. Aber durch den Verkauf wurde ihre Last,
die sie auf dem Kopfe trugen, nicht einmal leichter. Denn oft mußten
sie von den Bauern, bei denen das Bargeld knapp war, Butter, Eier,
Mehl "drannehmen". Manchmal waren die Frauen auf solchen Hausiergängen
drei bis vier Tage unterwegs. Dann übernachtete man bei Bekannten,
die später ihrerseits wieder einmal, etwa am Märzenmarkt
oder bei der Kirchweih, Gelegenheit gaben, den erwiesenen Dienst
wettzumachen.