Ausblick
So ist denn auf diesen Seiten, so gut es eben ging, ein
Bild gezeichnet von Alt-Untertürkheim und seinen Bewohnern. Manche
Züge in diesem
Bilde mögen vertraut, anderes mag fremd anmuten. Die alte Zeit ist
vergangen und wird so, wie sie war, nicht mehr wiederkehren. Aber mit ihr
ist in den letzten zwei Menschenaltern auch ins Grab gesunken, was ihr
Wertvollstes gewesen war: die enge Verbundenheit der Menschen untereinander.
Noch bis in die allerneueste Zeit herein hat man darin den großen
Fortschritt gesehen, daß alle diese alten Sitten und Gebräuche
zerbrachen, die Bindung an die Überlieferung immer lockerer wurde
und der Einzelne immer größere Ellbogenfreiheit gewann. Die
Alten haben zwar gewarnt, aber sie standen der Übermacht des Neuen
gegenüber hilflos da. Hilflos waren sie, weil sie nicht erkannten,
daß vieles von dem Alten wert war, daß es zugrunde ging. Daß das
so war, steht auch zwischen den Zeilen dieses Berichts zu lesen. So hätten
denn, wenn nicht alles drunter und drüber gehen sollte, neue Wertetafeln
an Stelle der alten gesetzt werden müssen. Das hat man versäumt,
und dieses Ver-säumte nachzuholen, ist es jetzt höchste Zeit
geworden. Oberste Richtlinie ist: Nur im Dienst an der größeren
Gemeinschaft bekommt das Einzelleben Sinn. Wer es nicht glaubt, betrachte
den Weg zum Abgrund, den wir eingeschlagen hatten. Nur ein gütiges
Geschick und der zielbewußte Kampf des Führers haben uns vor
dem Sturz in den Abgrund bewahrt. Nun der Rohbau des Reiches gezimmert
ist, haben im neuen Heime die alten Stände die Aufgabe, sich um gemeinschaftförderndes
Brauchtum zu mühen. Es kann nicht vom grünen Tisch her diktiert
werden, es kann nicht in kalten Verordnungen bestehen, lange verschüttete
Quellen müssen wieder freigelegt werden.
Es bedarf dazu einer starken
Hand, die zuzupacken versteht und Widerstände
rücksichtslos beseitigt, aber einer zugleich feinen Hand, mit dem
richtigen Fingerspitzengefühl für das Mögliche und Nötige.
Es gilt das gute Alte dem neuen Baugedanken dienstbar zu machen. Mit
anderen Worten: es handelt sich darum, dem Weingärtnerstand sinnvolle
Feste zu schenken, die hineinleuchten auch in den Alltag, es handelt
sich darum, unter neuen Verhältnissen zu persönlicher Anteilnahme
an Freud und Leib des Nächsten zunächst im eigenen Stand zu
erziehen und dabei doch gleichzeitig den Blick freizuhalten für
die großen Belange des Volkes. Dies ist die vordringlichste Aufgabe,
die dem jungen Weingärtnergeschlecht innerhalb seines Kreises gesetzt
ist. Möge es die Zeichen der Zeit und die Gunst der Stunde erkennen!