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Untertürkheimer Heimatbuch 1935
Von Johannes Keinath

Ausblick

So ist denn auf diesen Seiten, so gut es eben ging, ein Bild gezeichnet von Alt-Untertürkheim und seinen Bewohnern. Manche Züge in diesem Bilde mögen vertraut, anderes mag fremd anmuten. Die alte Zeit ist vergangen und wird so, wie sie war, nicht mehr wiederkehren. Aber mit ihr ist in den letzten zwei Menschenaltern auch ins Grab gesunken, was ihr Wertvollstes gewesen war: die enge Verbundenheit der Menschen untereinander. Noch bis in die allerneueste Zeit herein hat man darin den großen Fortschritt gesehen, daß alle diese alten Sitten und Gebräuche zerbrachen, die Bindung an die Überlieferung immer lockerer wurde und der Einzelne immer größere Ellbogenfreiheit gewann. Die Alten haben zwar gewarnt, aber sie standen der Übermacht des Neuen gegenüber hilflos da. Hilflos waren sie, weil sie nicht erkannten, daß vieles von dem Alten wert war, daß es zugrunde ging. Daß das so war, steht auch zwischen den Zeilen dieses Berichts zu lesen. So hätten denn, wenn nicht alles drunter und drüber gehen sollte, neue Wertetafeln an Stelle der alten gesetzt werden müssen. Das hat man versäumt, und dieses Ver-säumte nachzuholen, ist es jetzt höchste Zeit geworden. Oberste Richtlinie ist: Nur im Dienst an der größeren Gemeinschaft bekommt das Einzelleben Sinn. Wer es nicht glaubt, betrachte den Weg zum Abgrund, den wir eingeschlagen hatten. Nur ein gütiges Geschick und der zielbewußte Kampf des Führers haben uns vor dem Sturz in den Abgrund bewahrt. Nun der Rohbau des Reiches gezimmert ist, haben im neuen Heime die alten Stände die Aufgabe, sich um gemeinschaftförderndes Brauchtum zu mühen. Es kann nicht vom grünen Tisch her diktiert werden, es kann nicht in kalten Verordnungen bestehen, lange verschüttete Quellen müssen wieder freigelegt werden.
Es bedarf dazu einer starken Hand, die zuzupacken versteht und Widerstände rücksichtslos beseitigt, aber einer zugleich feinen Hand, mit dem richtigen Fingerspitzengefühl für das Mögliche und Nötige. Es gilt das gute Alte dem neuen Baugedanken dienstbar zu machen. Mit anderen Worten: es handelt sich darum, dem Weingärtnerstand sinnvolle Feste zu schenken, die hineinleuchten auch in den Alltag, es handelt sich darum, unter neuen Verhältnissen zu persönlicher Anteilnahme an Freud und Leib des Nächsten zunächst im eigenen Stand zu erziehen und dabei doch gleichzeitig den Blick freizuhalten für die großen Belange des Volkes. Dies ist die vordringlichste Aufgabe, die dem jungen Weingärtnergeschlecht innerhalb seines Kreises gesetzt ist. Möge es die Zeichen der Zeit und die Gunst der Stunde erkennen!